Unsere Vision: Persönlichkeitsentwicklung im sächsischen Bildungssystem
Seit Juni letzten Jahres setzen wir uns als Verein für Persönlichkeitsentwicklung Sachsen e.V. dafür ein, das Schulfach Glück – Lernziel Wohlbefinden (konzipiert vom Fritz-Schubert Institut) und Persönlichkeitsentwicklung in die sächsische Bildungslandschaft zu integrieren. Den ersten Schritt dafür tat unser Vereinsvorsitzender Jakob Kreisig, welcher zu einer Diskussion mit dem damaligen Kultusminister Piwarz in Plauen eingeladen wurde, um den Verein vorzustellen und Argumente dafür dazulegen, weshalb eine Etablierung von Persönlichkeitsentwicklung im Schulalltag sinnvoll und erstrebenswert ist.
Folgende Argumente sprechen aus unserer Sicht dafür:
1. Persönlichkeit begleitet uns ein Leben lang: Was sollen Jugendliche können, wenn sie die Schule verlassen? Der Blick auf Wissen und Kompetenzen ist durchaus eine gerechtfertigte Perspektive. Was jeder Mensch aber dauerhaft mitnimmt, ist die eigene Persönlichkeit. Einen professionellen Umgang damit können Elternhäuser i.d.R. nicht leisten. Eine bewusste Auseinandersetzung mit sich selbst (eigene Stärken, Schwächen, Wünsche, Ziele, Motivation, Werte, Bedürfnisse, Planungsstrategien, Selbstfürsorgemöglichkeiten, …) trägt außerdem zur Gemeinschaftsbildung bei. Denn wer sich selbst tiefer begegnet, kann auch anderen gegenüber empathischer werden.
2. Lebenskompetenz stärken: Menschen sind Beziehungswesen. Viele Menschen versuchen Alltags-probleme auf der Sachebene zu klären, obwohl es sich eigentlich um Kommunikations- und Beziehungsprobleme handelt. Persönlichkeitsentwicklung eröffnet explizit das Erlernen von sozialen Kompetenzen im Umgang mit Menschen.
3. Steigenden Anforderungen begegnen:
Arbeitgeber:innen schauen in Bewerbungsgesprächen verstärkt nach persönlichen Kompetenzen. Die zunehmende Individualisierung, die Überreizung durch Medienflut, die Auswirkungen der Corona-Pandemie u.v.m. fordern den Einzelnen immer mehr heraus. Viele wissen nicht, was sie wollen – daher gibt es hohe Abbrecherquoten. Die bewusste Auseinandersetzung mit sich selbst wirkt dem positiv entgegen.
4. Selbstwirksamkeit:
Das Ziel von Schulfach Glück ist psychologisches Wohlbefinden. Dabei geht es inhaltlich vor allem darum, sich selbst näher kennen zu lernen, Beziehungen bewusst zu gestalten und sich auf bedeutsame, selbstgewählte Ziele hin zu bewegen („vom Erdulder zum Gestalter“). Das Gefühl der Selbstwirksamkeit ist zentral für ein positives Lebensgefühl und aus unserer Sicht eine bedeutsame Grundlage für politische Willensbildung.
5. Präventiv handeln und psychischen Herausforderungen vorbeugen: Wenn Kinder und Jugendliche sprachfähig über Themen der Persönlichkeitsentwicklung werden, lernen sie mit ihren Mitschüler:innen darüber zu sprechen. Das stärkt die soziale Kompetenz enorm und wirkt präventiv, sodass psychische Probleme damit eher aufgefangen werden. Gleichzeitig bietet das für die Arbeit von Schulsozialarbeiter:innen sowie Schulpsycholog:innen eine gute Gesprächsbasis.
6. Stärkung von Familien: Zudem kommen diese Themen auch dadurch in die Familien. Es ist keine Seltenheit, dass auch Eltern diese Anregungen aufnehmen und für sich persönlich bedenken. Dies ist eine Möglichkeit zur Stärkung der Eltern-Kind-Beziehung.
7. Kompetentere Eltern: Langfristig werden Kinder und Jugendliche, die sich mit ihrer Persönlichkeit auseinandergesetzt haben, selbst zu Eltern, die keinen „Elternführerschein“ mehr brauchen, weil sie wichtige Grundkompetenzen im sozialen Bereich erlernt haben.
8. Auswirkungen auf andere Fächer: Wer mit sich selbst besser klarkommt, wird auch in anderen Fächern leistungsfähiger. Viele schulische Hürden (z.B. Prokrastination, geringer Selbstwert) haben ihre Ursachen in persönlichen Problemen, die sich z.T. auch in einem Fach wie Persönlichkeitsentwicklung verbessern lassen.
9. Forderungen der Schüler:innen Sachsens: Die Beachtung von mentaler Gesundheit und damit auch die Einführung von „Schulfach Glück“ ist eine zentrale Forderung des Landesschülerrates.
10. Sachsen als positives Vorbild: Das aktuelle Bildungssystem gilt in vielen Bereichen als veraltet. Die Initiative Bildungsland 2030 ist ein ganz entscheidender Schritt zu einer Besserung. Mit der festen Verankerung von Persönlichkeitsentwicklung könnte Sachsen als positives Beispiel in Deutschland vorrangehen. Erste Praxisbeispiele wie am Diesterweg Gymnasium Plauen belegen einen hohen Zuspruch von Schüler:innen sowie deren Eltern.
11. Juristische Grundlage: Im Sächsischen Schulgesetz ist in §1, Abs. 3 formuliert: „Die schulische Bildung soll zur Entfaltung der Persönlichkeit der Schüler in der Gemeinschaft beitragen.“ Diesem Auftrag kann man nur durch die explizite und systematische Thematisierung gerecht werden. Dass sie auch nebenbei im „geheimen Lehrplan“ oder in Fächern wie Ethik bzw. Religion thematisiert wird, reicht nicht.
Jakob betonte bei diesem Treffen, dass unsere Vision nicht nur eine schöne Idee, sondern für Sachsen eine real umsetzbare Möglichkeit ist:
Aktuell werden in Dresden mehrere Ausbildungsgänge für das Schulfach Glück – Lernziel Wohlbefinden durchgeführt. Die Nachfrage von Lehrkräften, Therapeut:innen und Schulsozialarbeiter:innen ist hoch. Es ist eine durchaus realistische Möglichkeit, dass Sachsen in 5 Jahren möglicherweise 200-300 „Glückslehrkräfte“ vorweisen kann. Perspektivisch sind ebenso Ausbildungsgänge in Leipzig und Chemnitz angedacht, sodass sich diese Zahlen sicherlich auch verdoppeln ließen.
Gleichzeitig ist es wichtig, dass diese Menschen erreichbar sind. Deshalb haben wir den Verein für Persönlichkeitsentwicklung Sachsen e.V. gegründet (https://www.persoenlichkeitsentwicklung-sachsen.de/). Der Verein engagiert sich für die Vernetzung von Menschen, die sich mit dem Thema Persönlichkeitsentwicklung auseinandersetzen. Neben der Vernetzung findet im Verein Austausch zur unterrichtlichen Umsetzung statt und wir beraten engagierte Personen, wie sie ihre Konzepte zum Thema Persönlichkeitsentwicklung in Bildungseinrichtungen implementieren können.
Kurzum: Wir werden mit dem Verein weiterhin versuchen, das Thema Persönlichkeitsentwicklung in Sachsen stark zu machen.
Wir haben die Vision, dass das Thema der expliziten Persönlichkeitsentwicklung in allen sächsischen Schulen verpflichtend eingeführt wird und sich somit alle Schülerinnen und Schüler Sachsens mit dem Thema auseinandersetzen. Ob dies dann freiwillig gewählt oder von allen verpflichtend besucht werden muss, ist im Detail noch zu diskutieren. Wir empfehlen dafür das Konzept „Schulfach Glück“, fördern als Verein allerdings auch weitere Konzepte, die den Prinzipien der positiven Pädagogik verpflichtet sind (z.B. Resilienztraining, Lernen durch Engagement, …).
Wie genau unsere Vision Gestalt annehmen könnte, wird die Zeit zeigen. Doch es gibt bereits jetzt Möglichkeiten, positive Pädagogik und Persönlichkeitsentwicklung in den Schulalltag zu bringen - Kooperation mit unserem Verein. Interessierten Schulen können wir durch unser Netzwerk Pädagog:innen und andere Fachkräfte für das Thema vermitteln, welche über das angedachte Globalbudget finanziert werden können. Vielleicht ist es möglich, uns zum „offiziellen“ Kooperationspartner zu machen.
Wir werden auch zukünftig dafür sorgen, dass unser Verein und unsere Vision an Wirkung in der sächsischen Bildungslandschaft gewinnen und wir werden dazu ins Gespräch kommen.
Meldet Euch gern, wenn Ihr Lust auf eine gemeinsame Kooperation habt oder noch Partner:innen für Projekte in Schulklassen sucht.
Wege, die in die Zukunft führen, liegen nie als Wege vor uns. Sie werden zu Wegen erst dadurch, dass man sie geht.
Franz Kafka
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